Die im Juli in Kraft getretenen „Bürgerschutzrechte“ verbieten nicht nur Demonstrationen und schränken immens die Meinungsfreiheit ein, sie erlauben zudem der Exekutive willkürliche Bußgelder zu verhängen. Die Kritik an der ausführenden Gewalt des Staates Spaniens wird somit unterbunden, ohne Kontrolle durch die Judikative. Dies zeigt ein Missverhältnis zwischen dem Volk Spaniens und der ausführenden Gewalt der Legislative auf. Wird Spanien nun zum Polizeistaat?
Ein großer Aufschrei ging nicht nur durch Spanien, sondern durch die ganze Welt, als Mariano Rajoy im Juli dieses Jahres die neuen „Bürgerschutzrechte“ gegen den Widerstand der Oppositionsparteien, Menschenrechtlern und Juristen erließ. Der positiv gewählte Begriff wirkt sich jedoch negativ auf das Volk aus. Und so tauchen immer mehr abstruse Fälle in Spanien auf, bei denen die „Ley Mordaza“ (zu deutsch: Knebelgesetze), wie sie ihre Gegner treffend nennen, in Kraft treten.
So wird vier Jugendlichen aus Andalusien ein gemütliches Abendessen auf einem öffentlichen Platz in der Stadt Lucena zum Verhängnis, denn sie tranken zu der mitgebrachten Pizza auch noch Cola. Die Polizei verhängte pro Person ein Ordnungsgeld von 300 Euro. Die Begründung ist das Verbot von Versammlungen in der Öffentlichkeit, insbesondere zusammen mit dem Konsumieren von Getränken. Es wäre ja fast witzig, wenn es nicht so traurig wäre. Gegen die Bußgelder können sich die Jugendlichen nicht wehren, da Ordnungsgelder nicht von der Judikative, sondern von der entsprechenden Polizeibehörde bearbeitet werden.
Dies ist kein Einzelfall. Mithilfe der Knebelgesetze, welche das Volk im Superwahljahr Spaniens vom Demonstrieren abhalten soll, wird Facebook als Meinungsaustauschplattform von Rajoys Polizisten benutzt, um Gelder in die Kassen zu treiben. So wird nicht nur der Aufruf zu einer Demonstration oder das Teilen dieser über das soziale Netzwerk mit bis zu 600.000 Euro bestraft, sondern schon die kleinste negative Äußerung über die Exekutive. Das erfuhr auch ein Spanier, der ein Kommentar hinterließ, in dem er die Beamten als „Esquateados“ (zu deutsch: Drückeberger) bezeichnete. Sechs Stunden später stand die Polizei vor seiner Tür und forderte ein Bußgeld ein. Nach den neuen Sicherheitsgesetzen dürfen die Beamten dies als „mangelnden Respekt gegenüber Amtspersonen“ auslegen und mit Geldstrafen zwischen 100 und 600 Euro ahnden.
Durch das Vergehen „respektloses Verhalten gegenüber Amtspersonen“, welches willkürlich von den Beamten interpretiert werden kann, sind die Bürger Spaniens der Polizeimacht schutzlos ausgeliefert. So kann eine lockere Anrede des Polizisten zum Führerscheinverlust oder gar ein gepostetes Foto eines geparkten Polizeiwagens, ohne Insassen, auf einem Behindertenparkplatz zu einem Bußgeld von 800 Euro führen. So wird die Begründung des Ehrgefühlverlustes in diesen Fällen zu einem Machtinstrument gegen das Volk. Auch das falsche Verhalten der Polizisten im Straßenverkehr wird nicht geahndet. Das Bußgeld für das Foto wurde zum Schutz der Polizisten verhängt, um einer eventuellen Identifizierung vorzubeugen.
Besonders problematisch ist die Ausschließung der Judikativen, die eigentlich als Kontrollinstanz zwischen dem Volk und dem Staat stehen sollte. Durch die sogenannten „Bürgerschutzrechte“ können die Behörden die Strafen ohne richterlichen Beschluss, als Ordnungswidrigkeiten durchsetzen. Durch diesen Streich der Regierung kann die Judikative nun nicht mehr die Ausübung der Exekutiven be- und verurteilen. Sonst könnte die Judikative die Exekutive der „Ausübung der verfassungsmäßigen Rechte“ bezichtigen. Welche die Macht zur Befähigung des Handelns ohne jegliche Kontrolle und damit das eigene Interesse der Polizisten, darstellen würde. Deswegen haben selbst Verfassungsrechtler der Vereinten Nationen gegen diese negative Entwicklung protestiert.
Die Bundesregierung Deutschlands hat sich bis jetzt noch nicht kritisch zu dieser drastischen Entwicklung Spaniens geäußert. Welches im Bezug auf die Geschichte Deutschlands verwunderlich ist. Bei dem Staatsbesuch von Mariano Rajoy in den vergangenen Tagen äußerte Merkel lediglich, dass Deutschland sich ein Beispiel an Spaniens Reformkurs nehmen sollte.
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