Sie ist das Ass im Ärmel der amtierenden Partei. Die stellvertretende Ministerpräsidentin Soraya Sáenz de Santamaría soll der Partei ein neues Image verleihen, um die Wähler für die kommende Parlamentswahl umzustimmen. Ob sie diese Mammutaufgabe meistert, wird sich bei der Fernsehdebatte am 6. Dezember herausstellen.
Armer Ministerpräsident Mariano Rajoy. Seine Sympathieumfragewerte sinken stetig und bilden das Schlusslicht auf der Beliebtheitsskala. Zuletzt verschaffte er sich Antipathiepunkte, weil er seinen Vater auf Staatskosten pflegen lässt. Da ist es kein Wunder, dass seine eigene Partei auf ein neues Gesicht in der Öffentlichkeit setzt. Aber es ist nicht nur die Unbeliebtheit des Ministerpräsidenten, welche die Partei zu solch einer Werbemaßnahme zwingt, sondern auch die negativen Schlagzeilen in den vergangenen Jahren. Die Korruptionsvorwürfe, welche zum Teil richterlich geahndet wurden und die Auswirkungen der Sparmaßnahmen, welche besonders den sozialen Bereich Spaniens schwächte, gebar unzufriedene Wähler.
Ganz unbekannt ist die stellvertretende Ministerpräsidentin Soraya Sáenz de Santamaría als Regierungssprecherin nicht. Am Sonntagabend wurde sie im spanischen Fernsehen porträtiert. Neben den sonst üblichen Lobhudeleien, bei denen die energetische Stellvertreterin sich bürger- und naturnah zeigte, wurde sie von dem Fernsehmoderator ganz schön in die Mangel genommen. Bei den Fragen zur Korruption unter den Spitzenpolitikern der Regierungspartei Partido Popular kam Sáenz de Santamaría ins straucheln.
Auch als sie vor den Kameras mit dem brisanten Thema der Unabhängigkeit Kataloniens konfrontiert wurde. Der katalanische Ballonlenker sprach sinnbildlich für alle Unabhängigkeitsbefürworter, die sich von der Zentralregierung unverstanden fühlen. Sáenz de Santamaría widersprach ihm zunächst, lenkte dann jedoch ein: „Es gibt vieles, was wir berichtigen müssen. Wir müssen mehr aufeinander hören.“ Ob nun PR-Masche oder nicht, mit dieser Aussage widerspricht sie Rajoy, der jede Diskussion mit den Katalanen abblockt und stattdessen lieber direkt mit Verfassungsklagen um sich schmeißt.
Sollte die neue Wahlkampfstrategie der Partido Popular etwa aufgehen? Es ist schon ein feiner Schachzug die energische Sáenz de Santamaría statt dem ennuyierten Rajoy in der bevorstehenden Fernsehdebatte der Spitzenkandidaten der vier größten Parteien antreten zu lassen. Mit Rajoy treten auch die Skandale und die politischen Durchführungen, welche hohe Kritiken geerntet hatten, in den Hintergrund. Trotzdem wird es nicht leicht für Sáenz de Santamaría ihre Partei bei der Debatte zu verteidigen, aber vielleicht kann sie durch ihre Art und ihre Argumentation die Antipathie ihres Ziehvaters ausgleichen und der Partido Popular nicht nur alte Wähler wiedergewinnen, sondern auch einen neuen Weg weisen.
Die Wahrscheinlichkeit jedoch, dass Sáenz de Santamaría die neue „spanische La Merkel“ wird, ist jedoch sehr unrealistisch. Laut der Wahlprognose im November liegen die Parteien Partido Popular (PP=23,5%), Ciudadanos (C´s=22,5%) und Partido Socialista Obrero Español (PSOE=21,0%) gleich auf, dicht gefolgt von Podemos (17,0%). Nach dieser Prognose wird in Spanien eine Koalitionsregierung entstehen müssen. Doch die Vertreter der Parteien haben klar ausgedrückt, dass sie auf keinen Fall mit der PP fusionieren werden. Grund ist nicht nur das umstrittene Sparprogramm, sondern auch die Korruptionsaffäre der Partei.