Der Innenhof – Patio – erhält im Mai sein Tribut

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Wenn sie durch die verwinkelten Gassen Andalusiens schlendern, lassen sich vor allem in den alten Stadtkernen schlichte, weiße Häuserfassaden erblicken, wo sich jedermann schon einmal gewünscht hat, hinter die Kulisse schauen zu dürfen. Dies ist auch legitim, denn sobald sich ein Türspalt bietet, wird die eigentliche Pracht des Hauses sichtbar, sein Zentrum, der andalusische Innenhof. Doch woher stammt diese architektonische Anordnung der Raumverteilung?

Ein Innenhof ist eine geöffnete Freifläche im Gebäude, welche als Lichtzufuhr und als Ventilation für die Zimmer des Hauses dient. Seine Herkunft stammt von der islamischen Wohnkultur aus der Zeit des Al-Andalus, welche sich architektonisch dadurch charakterisieren, dass die Fassade nach innen orientiert ist. So erscheint das äußere Bild des Wohnhauses schlicht und unspektakulär, da ihm keine Bedeutung beigemessen wird. Nach der Rückeroberung der Christen blieb diese Gebäudeaufteilung erhalten und kann in manch andalusischem Haus heute noch vorgefunden werden. Jeder Patio, so wie der Innenhof in Spanien genannt wird, ist von seiner Struktur her einzigartig, wenn seine historische Entwicklung betrachtet wird. Es lassen sich jedoch Hauptcharaktereigenschaften herausfiltern, durch die sich die Patios in zwei Gruppen klassifizieren lassen. Zum Einen gibt es die Herrschaftshäuser, die auf die antiken Paläste der damaligen Aristokraten verweisen und zum Anderen die Gebäude mit religiöser Herkunft. Seine zentrale Lage verwandelte ihn in oft in den Gemeinschaftsraum, der dort ansässigen Familie. Im 20. Jahrhundert organisierte der Innenhof die Hauseinteilung, wo sich das WC, Bad und die Küche befanden oder davon abführten und er verschwand schließlich mit dem Aufkommen der Wohnblöcke.

Um die islamische Wohnkultur und deren Konstruktion verstehen zu können, müssen wir ihr Glaubensverständnis verstehen lernen. Der Koran ist nicht nur das Fundament für den islamischen Glauben, sondern kann als Lebenskonzept verstanden werden, welches die Gemeinschaft in ihr alltägliches Leben integriert und ihr Kulturverständnis darauf aufbaut. Das perfekte Zusammenspiel von Wasser, Licht und Schatten und deren Fülle sowie die paradiesischen Gartenanlagen und Blumendekor dürfen als poetische Metaphern verstanden werden, die die Ideen des Korans verkörpern, diese Elemente aufwerten und ihr eine neue Bedeutung zu teil werden lassen. Der Innenhof diente oft auch als Empfangsraum für Gäste und als Platz des Friedens und der Besinnung.

So ist es nicht verwunderlich, dass Innenhöfe mit Säulengängen, Ornamenten, Kacheln und Springbrunnen ausgestattet wurden. Pflastersteine, vor allem der „chino cordobés“, ein spezielles Art runde Steine (chino) und Sand auf dem Boden zu verteilen und anzuordnen. Neben dem ästhetischen Aspekt dient diese Form des Bodenbelags als Wasseraufhänger und vermeidet unangenehme Pfützen. Später wurde Blumenbeete durch Blumentöpfe ersetzt und es wurden alte Möbelstücken als Dekoration dazu gestellt.

Festival der Innenhöfe

Die Hauptstadt der andalusischen Innenhöfe versinnbildlicht vor allem die Stadt Córdoba, die durch ihr kulturelles Erbe und die Pflege, auf viele islamische Hinterlassenschaften bauen kann und dem Innenhof im Monat Mai einen besonderen Tribut leistet. Die “Fiesta de los Patios de Córdoba” gibt es in Córdoba schon seit 1921, auch wenn es nicht durchweg zelebriert worden ist, wurde die Wertschätzung der Innenhöfe früh erkannt und durch deren Ausschmückung mit Blumen verherrlicht und fortgesetzt. Seit 2012 gilt das Fest als mündliches und immateriellen Erbe der Menschheit (UNESCO). Für offizielle Stadtreiseführer sind es die zwei unangenehmsten Wochenenden des Jahres, da sich lange Schlagen vor den teilnehmenden Häusern bilden und Stadtviertel, wie San Basilio, Vallellano und das historische Zentrum kaum zugänglich sind. Die kreative Gestaltung und der imposante Blumendekor ziehen jedermann dieser Tage nach Córdoba. Gilt das Festival doch auch als Anerkennung all derer, die Arbeit und kreative Stunden in die Anordnung der Höfe investiert haben. Zwei Stunden täglich werden für seine Pflege aufgewendet. Die Bewässerung erfolgt in den Abendstunden, wenn sich der Schatten über die Blumenpracht gelegt hat. Von 11 bis 14 Uhr und von 18 bis 22 Uhr haben die Patios jeweils geöffnet. Einen interaktiven Stadtplan mit einer kurzen Beschreibung jedes einzelnen, teilnehmenden Innenhofes kann auf der offiziellen Webseite gefunden werden. Noch bis kommenden Sonntag, den 15. Mai öffnen die Patios ihre Türen für alle Blumenfreude. Der Eintritt ist kostenlos. Wer es einrichten kann, besucht Córdoba am besten unter der Woche. Sollten sie das Festival verpassen, können sie auch auf eine kostenpflichtige Besichtigungsroute zurückgreifen, denn viele Bewohner pflegen das ganze Jahr hindurch ihre Innenhöfe und laden zu einem Besuch ein. Die Karten können im Stadtviertel San Basilio erworben werden

In Vejer de la Frontera können ab dem 16. bis 22. Mai die teilnehmenden Innenhöfe in der Nachbarschaft bewundert werden und in Medina Sidonia am Wochenende vom 21. und 22. Mai jeweils von 11 bis 14 Uhr und von 17 bis 19 Uhr.

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