Wahl: Unabhängigkeit die neue Abhängigkeit Kataloniens?

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Die Unabhängigkeitsbefürworter haben die Mehrheit der Sitze im Parlament erlangt. Wird Katalonien jetzt zu einem eigenen Staat oder bleibt ihr schon vorhandener autonomer Status weiterhin Abhängig von Spanien?

Seit Monaten ist die Debatte um die Unabhängigkeit Kataloniens in aller Munde. Katalonien mit seinen 7,5 Millionen Einwohnern war bis 1714 ein eigenständiges Land. Seine Autonomie hat es mit seiner eigenen Sprache, Regierung und eigenem Parlament nie verloren. Die Katalanen sind stolz auf ihr Land und ihre eigene Kultur. Schon 2006 hatte Katalonien versucht eine eigene Nation zu werden, dieses Vorhaben wurde jedoch von dem PP-lastigen Verwaltungsgericht niedergeschmettert, ebenso wie das Unabhängigkeitsreferendum im November 2014. Der Geist der Unabhängigkeit glüht in den Adern der Katalonier. Und, sie tragen etwa zu einem Fünftel des spanischen Bruttoninlandsproduktes bei. Die reiche Region hielt noch nie etwas vom Sparkurs der PP-Partei und wehrt sich gegen die staatlichen Sanktionen, die besonders die Renten und Steuern der Katalanen betreffen.

Dieses Jahr wurde die Regionalwahl von Artur Mas (CDC) zu einem unabhängigkeits-Plebiszit erklärt, das Volk sollte über seine Abspaltung von Spanien selbst abstimmen. Die Wahlbeteiligung in diesem Jahr lag bei 77 Prozent der 5,5 Millionen wahlberechtigten Katalanen, neun Prozent mehr als bei der letzten Regionalwahl im Jahr 2012. Mas Unabhängigkeitsbewegung „Junts pel Si“ (Gemeinsam für das Ja), die aus der katalanischen Regierungspartei CDC (Demokratische Konvergenz), den Linksrepublikanern ERC und mehreren kleinen Bürgerinitiativen besteht hat 62 der insgesamt 135 Sitze gewonnen. Mit den 10 Sitzen der Linkspartei CUP, die ebenfalls die Abspaltung von Spanien möchte, bilden die Seperatisten die absolute Mehrheit. Bei der vorherigen Wahl im Jahr 2012 gewannen sie jedoch neun Sitze mehr.

Die zweitstärkste Kraft wurde mit 25 Sitzen (2012: neun) im katalanischen Parlament, die liberale, pro-spanische Partei Ciutadans. Die ebenfalls pro-spanischen Sozialisten (PSC) errangen 16 Mandate (2012: 12). Einen Mittelweg bot die Protestpartei Podemos an, die sich mit den Grünen und Bürgerinitiativen zusammentat und bei diesem Wahlkampf eher an den Machterhalt Mas glaubten. Der Zusammenschluss „Catalunya Sí que es Pot“ (Katalonien, ja es kann), der für soziale Verbesserungen und einem größeren Mitspracherecht in der spanischen Gesetzgebung einsteht, erreichte jedoch nur 11 Parlamentssitze (2012: 19). Die Volkspartei (PP) des Ministerpräsident Mariano Rajoy, gewann nur 11 Sitze (2012: 19).

Das Ergebnis der PP ist jedoch nicht verwunderlich, da die Katalanen Rajoy als Inbegriff der korrupten Politikerkaste ansehen, die für die Krise in Spanien mitverantwortlich seien. Er ließ verlauten, dass ein unabhängiges Katalonien nie vom Verfassungsgericht abgesegnet wird. Seine Begründung, dass die Stimmen der zur Wahl gegangenen Katalanen, für eine Unabhängigkeit Kataloniens, nur zu 47,8 Prozent die Meinung der gesamten Katalanen widerspiegeln würde, ging im Jubel der Separatisten unter. Äußerst unvorteilhaft war jedoch die Aufforderung des CUP-Chefs Antonio Banos „Ab morgen kann und sollte das (spanische) Gesetz von den Katalanen missachtet werden“. Eine Position, welche die Verhandlungsstrategie mit dem Verfassungsgericht in kein gutes Licht rückt.

Die Frage, ob die Katalanen ein unabhängiger eigener Staat werden möchten ist demnach sehr knapp mit 72 zu 63 Sitzen im katalanischen Parlament ausgegangen. Den Nationalstolz und die Verteilung der Sanktionen einmal auslassend ist es fragwürdig, inwiefern Katalonien als eigene Nation rechtlich verwirklicht werden kann. Eine Abspaltung von Spanien ist bislang in der Verfassung nicht vorgesehen, jedoch die Einheitswahrung der Nation. Abspaltungen können während des Vollzugs nicht legal sein und erst nachträglich legalisiert werden. Für eine positiv ausfallende Entscheidung des Verfassungsgerichtes in Madrid wappnet sich derzeit die Zentralregierung. Zusammen mit dem Verfassungsgericht selbst, wird über ein neues Gesetz entschieden, welches das Parlament am Dienstag verabschieden will. Dieses gäbe dem Gericht Sanktionsvollmachten, darunter auch das Recht Mas bei Widerstand gegen die Entscheide des Verfassungsgerichtes abzusetzen.

Die Unabhängigkeit Kataloniens scheint also von der Gesetzgebung Spaniens abhängig zu sein. Und seine Gegner planen eine noch viel größere Abhängigkeit. Haben sich damit die autonomen Unabhängigkeitsbefürworter selbst ins Bein geschnitten? Dabei wollten sie doch eigentlich nur die Volksbefragung, die 2014 von den Madridern Richtern für illegal erklärt wurde. Ein demokratisches Referendum wie in Quebec oder Schottland.

Für das knappe Wahlergebnis spricht auch die wirtschaftliche Unsicherheit im Falle einer Bildung des eigenen Staates. Demnach steht Katalonien und Spanien, aber auch Europa vor einer ganzen Reihe schwerwiegender wirtschaftlicher und politischer Fragen, deren Antwort niemand so richtig kennt. Einige Unternehmen überlegen ihren Unternehmenssitz aus Katalonien abzuziehen. Zu uneinsichtig ist, ob Katalonien in die Europäische Union aufgenommen wird und wie zeitnah dies geschieht. Zölle und Handelsbeschränkungen seien denkbar.

Selbst mit dem Ausschluss des beliebten Fußball-Clubs Barcelona aus der ersten spanischen Liga wurde zuletzt gedroht. Dieser raffinierte Schachzug hat viele Katalanen zum Nachdenken gebracht, welches wiedereinmal die interessante Macht- und Spielposition des Fußballs in der Politik demonstriert.

Den Umfragen zufolge ist in den vergangenen Jahren die Zahl der Unabhängigkeitsbefürwortern angestiegen. Allen Gründen voran steht die Unzufriedenheit mit der politischen Lage Spaniens. Dem nach, folgt die gefühlte ungerechte Sanktionsverteilung der gewinnbringenden Region. Auf Platz drei steht die katalanische Kultur. Viele Befragte fühlen sich genauso katalanisch wie spanisch. Nur für eine Minderheit überwiegt die katalanische Identität.

Die Zentralregierung zieht alle Register, um dem Unabhängigkeitstreiben ein Ende zu bereiten. Rajoy zeigt sich in seinem strahlenden Machtgewand solange er noch kann, denn im Dezember sind nationale Wahlen in Spanien. Seine Angst nicht wiedergewählt zu werden ist mehr als begründet, denn die Wahl der Katalanen zeigt das Stimmungsbild ganz Spaniens. Die Forderung der Bevölkerung lautet:  Mehr Demokratie, politische Transparenz und Sozialgerechtigkeit!

Foto: dpa

3 KOMMENTARE

  1. Seit 1989 sind in Europa (geogr.) 15 ! neue Staaten entstanden! Nicht immer in Einklang mit der Verfassung! Eine Verfassung beinhaltet ja auch nicht die absolute Wahrheit! Es wurde von Menschen geschrieben, wird von Menschen geändert und auch missbraucht (wie ja auch aktuell und in der Vergangeheit in Spanien). Das einzige was zählt ist der demokratische und friedliche Wille der Menschen. Und gerade dafür ist die spanische Zentralregierung taub!

    • Wenn neue Staaten aufgrund von Unterdrückung und Bürgerkriegen gegründet werden, ist das eine Sache.
      Wenn aber eine Region, die jahrelang vom eigenen Staat subventioniert wurde und nur deshalb wirtschaftlich stärker ist, aus purem Egoismus heraus unabhängig werden will, dass ist das etwas Anderes.
      Mit der Franco-Unterdrückung kann auch keiner mehr argumentieren. Das ist 40 Jahre her und von Madrid mehr als wiedergutgemacht.
      Traurige Kleinstaaterei nenne ich das.

      • Mit Egoismus und „Geldgier“ dieses Fenomen erklären zu versuchen ist nun stark simplistisch und bischen armseelig! Wer wem subventioniert ist sehr strittig! Das die Katalaner seit 300 Jahren mehr oder weniger unterdrückt, verfolgt oder benachteiligt waren/sind steht aber klar in Geschichtsbüchern. „Unser Ziel ist es“, verkündete kürzlich der spanischer Kulturminister, „darauf zu bestehen, die katalanischen Kinder zu hispanisieren.“ Eine unverbindliche Volksbefragung wird als Illegal gebrandmarkt und die Zuständigen angeklagt. Nur 2 Beispiele, jedoch klingt das nach Demokratie? Oder Respekt? Die Separatisten sitzen in Madrid! Mit Ignoranz und Ablehnung sind sie zuständig für die jetzige Situation! Die Katalaner selbst bezeichnen sich schon je als Independentistas! Und über eigene Zukunft, Kultur und Leben zu entscheiden ist ein universelles Recht von jedem. Wenn die Mehrheit sich friedlich und demokratisch entscheidet ist das nun das einzige was zählt!

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