Berufungsprozess der Öltanker-Katastrophe in Spanien eröffnet

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Vor 13 Jahren sank der Öltanker «Prestige», die wohl größte Umweltkatastrophe in der Geschichte Spaniens. 77.000 Tonnen Schweröl verseuchten den Atlantik und 2900 Kilometer Küste mit Ölschlamm. 2002 wurde gerichtlich niemand strafrechtlich zur Verantwortung gezogen. 2015 beginnt in Madrid der Berufungsprozess. Am Dienstag stellte die Staatsanwaltschaft und Umweltschützer vor dem Obersten Gerichtshof den Antrag, die Freisprüche der ersten Instanz aufzuheben.

Am 13. November 2002 befand sich das im Jahre 1976 gebaute Schiff, mit einer Schiffsladung von 77.000 Tonnen Schweröl, auf dem Weg von Lettland nach Singapur. Der Öltanker «Prestige» geriet vor der spanischen Küste bei einem Sturm in Seenot und havarierte. Durch ein Leck bekam das Schiff 24° Schlagseite, Backbord-Ballasttanks wurden geflutet. Doch dadurch nahm die Belastung auf den Rumpf zu, ein Durchbrechen drohte. Ein 35 Meter langer Riss bildete sich und ließ Öl austreten. Die spanischen Behörden verweigerten dem Schiff die Einfahrt in den Hafen, da sie glaubten, sie könnten dadurch die Verschmutzung der Küstenabschnitte minimieren. Ein großer Fehler, denn das Auffangen und Abpumpen von Schweröl geht in einem Hafen leichter vonstatten als auf offener See, wohin das rampunierte Schiff geschleppt wurde.

Sechs Tage lang wurde nach einer Lösung gesucht, während 64.000 Tonnen Schweröl ausliefen. Dann zerbrach am 19. November der Rumpf und das Schiff sank auf 3.600 Meter Tiefe, 166 Seemeilen vor der spanischen Küste. 2900 Kilometer der spanischen und französischen Küste wurden verschmutzt und 250.000 Seevögel fanden einen grausamen Tod. In den darauf folgenden zwei Jahren nach dem Untergang, konnten die meisten Lecks von Unterwasser-Robotern abgedichtet werden. Die im Wrack verbliebenen 13.000 Tonnen Öl wurden abgepumpt und durch eine mikrobakterienhaltige Lösung ersetzt, welche die Zersetzung von Ölresten beschleunigt. Am 12. September 2004 wurde die rund 100 Millionen Euro teure Aktion abgeschlossen.

Die spanische Regierung verklagte die Klassifikationsgesellschaft American Bureau of Shipping (ABS) auf einen Schadensersatz in Höhe von einer Milliarde US-Dollar (etwa 756 Millionen Euro). Da ABS das damals 26 Jahre alte Schiff für seetauglich eingestuft hatte. Die Prestige sollte planmäßig 2005 außer Betrieb genommen werden. Spanien verlor den Prozess, da vor einem US-Gericht Gutachten vorgelegt wurden, laut denen eine Monsterwelle die wahrscheinliche Ursache für die Havarie und nicht der Zustand des Schiffes gewesen sei.

Am 16. Oktober 2012 begann vor einem Gericht in La Coruña der Prozess gegen drei Besatzungsmitglieder der Prestige. Angeklagt wurden der Kapitän, Maschinist, Erste Offizier und der damalige Chef der spanischen Hafenbehörde. Das Verfahren, in dem 133 Zeugen und 98 Sachverständige angehört wurden, endete im Juli 2013. Am 13. November 2013 wurde das überraschende Urteil verkündet. Obwohl den Angeklagten, wegen ihres hohen Alters keine Haftstrafen drohten, wurde eine Verurteilung erwartet. Ein Urteil hätte eine Geltendmachung von Haftungsansprüchen gegen die Reederei und ihre Versicherung erleichtert. Die Schäden der Katastrophe, von der Staatsanwaltschaft auf insgesamt 4,3 Milliarden Euro geschätzt, hatte bislang zu einem großen Teil der spanische Staat bezahlt. Die Forderungen der Staatsanwaltschaft lagen bei hohen Haftstrafen zwischen fünf und zwölf Jahren. Das Gericht sprach jedoch alle Angeklagten von dem Vorwurf frei, Umweltdelikte begangen zu haben. Abstruser Weise wurde der Kapitän zu einer neunmonatigen Haftstrafe wegen „Ungehorsams“ verurteilt. Da er sich zunächst der Anweisung der Behörden verweigerte, das Schiff auf das offene Meer zu bewegen. Wodurch ein größerer Schaden entstand.

2015 soll sich die Natur nach dem Unglück vor der galizischen Küste langsam erholen. Genetische Schäden ließen sich an Pflanzen und Tieren nicht feststellen. Nach einer wissenschaftlichen Studie aus dem Jahre 2014, ist der Bruterfolg bei den damals mit Öl belasteten Kolonien von Krähenscharben auch heute noch um 45 % verringert.

Die Entscheidung der Richter im Berufungsverfahren dürfte auch in finanzieller Hinsicht von Bedeutung sein. Da das Gericht in der ersten Instanz die Angeklagten von der Verantwortung für die Umweltkatastrophe freigesprochen hatte, war auch nicht festgelegt, wer für die Schäden aufkommen muss, die der Untergang verursacht hatte. Dies könnte sich nun im Falle eines Schuldspruchs ändern.

Foto: dpa

PrestigeÖltanker

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