Bereits 2005 hat der Volkswagenkonzern Manipulationssoftware in seine Modelle eingebaut, welche die Abgaswerte bei Tests positiv beeinflussen. Kosten in Milliardenhöhen aus Schadensersatzansprüchen und Sammelklagen kommen jetzt auf VW zu. Die Regierungen in Spanien und Frankreich fordern zudem die Beträge der ausgezahlten Subventionen, die sogenannten Abwrackprämien, von dem Konzern.
Spanien will im Abgas-Skandal vom Volkswagen-Konzern Subventionen für schadstoffarme Autos zurückverlangen. Die Regierung suche nach rechtlichen Wegen, wie sie eine Erstattung der gezahlten Hilfen geltend machen könne, sagte Industrieminister José Manuel Soria am Mittwoch in Maspalomas auf Gran Canaria. Spanien hatte den Kauf von Autos mit Abwrackprämien von 1000 Euro pro Fahrzeug unterstützt, wenn die Käufer ihre alten Wagen verschrotten ließen. Wie hoch die Summe sei, die Spanien von VW zurückverlangen wolle, stehe noch nicht fest, teilte der Minister mit. Dazu müsse erst festgestellt werden, wie viele Fahrzeuge mit manipulierten Dieselmotoren in Spanien verkauft worden seien.
Die Subventionen seien mit Geldern des Staatshaushalts bezahlt worden. Die Regierung werde dafür sorgen, dass sie in die Staatskasse zurück gelangen. Von den Autokäufern werde Madrid das Geld nicht zurückverlangen, weil sie in gutem Glauben gehandelt hätten.
Hintergrund des Volkswagen Skandals:
Die deutsche Automobilindustrie strebte 2005 an auf dem amerikanischen Markt das moderne Diesel-Auto zu etablieren. Ein Jahr zuvor führte die kalifornische Umweltbehörde CARB die besonders strenge Abgasnorm SULEV, Stufe 2, ein. Diese ist nur dann verpflichtend, wenn ein Autohersteller mit niedrigen Abgaswerten werben möchte. Der SULEV-Grenzwert für Stickoxide liegt bei 0,02 Gramm pro Meile und damit deutlich unter den europäischen Vorgaben von 0,08 Gramm pro Kilometer. Neben Volkswagen wollten auch BMW, Audi und Mercedes-Benz mit besonders niedrigen Abgaswerten in den USA werben und „Clean-Diesel“-Fahrzeuge auf den Markt bringen.
In der Motorenentwicklung der Wolfsburger Zentrale fiel im Jahr 2005 die Entscheidung, manipulierte Software einzubauen. Dank dieser konnte VW die Werte bei Tests einhalten. Am 1. Januar 2007 löste Martin Winterkorn den Vorstandsvorsitzenden Bernd Pischetsrieder ab. Winterkorn, zuvor Audi-Chef, war schon viele Jahre im VW-Konzernvorstand. Ab 2008 baute der VW-Konzern den manipulierten Dieselmotor EA 189 in viele Modelle von VW, Audi, Skoda und Seat ein. 2011 war es soweit, VW warbt in den Staaten mit dem neuen Jetta TDI, der die Abgasnorm SULEV, Stufe 2, einhalten sollte. Bereits damals warnte ein VW-Techniker vor der illegalen Manipulation von Abgaswerten. Doch seine Warnungen wurden nicht erhört.
Dann, im Frühjahr 2014 brachten wissenschaftliche Analysen der Non-Profit-Organisation „International Council on Clean Transportation“ (ICCT) den VW-Konzern in bredouille. Stichproben des VW Passat (2013), VW Jetta (2012) und BMW X5 ergaben, dass nur der getestete BMW unter realen Bedingungen den Test bestand. Mercedes weigerte sich bei den Tests mitzumachen. Der VW Passat überschritt die amerikanischen Stickstoff-Emissionen um das 5- bis 20-fache, der VW Jetta sogar um das 15- bis 35-fache. Im Mai 2014 leitet das ICCT die Ergebnisse an die kalifornische und amerikanische (EPA) Umweltbehörde weiter. Worauf diese Volkswagen informierten. Der Konzern schob jedoch die schlechten Ergebnisse auf technische Mängel und entschloss sich 500.000 Autos in den USA zurückrufen. Durch ein Software-Update sollten die Probleme der hohen Abgaswerte behoben werden.
Anfang 2015 wurden die Modelle vom ICCT erneut getestet und ein gleichbleibendes, grenzüberschreitendes Ergebnis wurde festgestellt. Daraufhin folgte ein großes Stühlerücken in den oberen Konzernetagen. Am 25. April trat der VW-Aufsichtsratvorsitzende Ferdinand Piëch zurück und distanzierte sich von dem Vorstandsvorsitzenden Winterkorn. Erst nach der Drohung der kalifornischen und amerikanischen Umweltbehörden, die neuen 2016er-VW-Modelle nicht zu zertifizieren, gab Volkswagen schließlich zu, Manipulationssoftware (sog. Defeat Device) eingebaut zu haben. Diese erkennt, wann ein Auto sich im Testzyklus befindet und senkt dann den Stickstoffoxid-Ausstoß mit Hilfe der Einspritzung einer wässrigen Harnstofflösung (Ad Blue). Der Konzern machte dieses Zugeständnis jedoch nicht öffentlich.
Rückrufaktion über 500.000 Autos
Am 18. September teilt die kalifornische und amerikanische Umweltbehörde ihre Testergebnisse und deren Folgen in einer sogenannten „Notice of Violation“ VW mit. Darin werden die rechtlichen Verstöße gegen den „Clean Air Act“ aufgelistet und VW dazu aufgefordert die Autos in den USA zurückzurufen. VW folgt der Aufforderung mit einer Rückruf-Aktion von 500.000 Autos. Dem Konzern droht eine Strafe für die Verstöße gegen die Abgasnormen von bis zu 18 Milliarden Euro. Zwei Tage später informiert VW die Öffentlichkeit über die Manipulation. Eine späte Entscheidung, welche weitere rechtliche Folgen, bezogen auf den Aktienmarkt, für den Konzern bedeuten.
Winterkorn vergibt Entschuldigungen während die VW-Aktie enorm an Wert verliert. Porsche nutzt die Gelegenheit um sich einen Anteil des Konzerns zu sichern. Mittlerweile stoppt VW den Verkauf seiner und der Audi-Modelle in Amerika und gibt bekannt, dass 11 Millionen Autos weltweit mit der Manipulationssoftware ausgestattet sind. Währenddessen ist eine wilde Spekulation um weitere Automobilhersteller ausgebrochen.
Das Kraftfahrtbundesamt stellt VW ein Ultimatum und droht mit dem Entzug der Typengenehmigung. Der Konzern muss bis zum 7. Oktober einen umfassenden Maßnahme- und Zeitplan vorlegen. Demnach dürfen bei der Nichteinhaltung der Frist Fahrzeuge weder verkauft noch bewegt werden. Mittlerweile werden Ermittlungen gegen den abgetretenen Winterkorn von der Braunschweiger Staatsanwaltschaft eingeleitet. Vorgestern legte VW einen Aktionsplan zur Nachbesserung von Dieselmotoren mit manipulierter Software vor und rief fünf Millionen Fahrzeuge zurück. Gestern ist das Aufsichtsratspräsidium erneut zusammen gekommen.
In den USA hat der Landkreis Harris County in Texas Klage eingereicht. Der zuständige Staatsanwalt Vince Ryan fordert wegen Luftverschmutzung durch mindestens 6.000 verkauften VW-„Clean-Diesel“-Fahrzeugen in der Region mehr als 100 Millionen Dollar (rund 89 Millionen Euro). Er wirft VW vor, dass diese betrügerische Aktion es dem Landkreis erschwert hätten, die staatlichen Klimaschutzvorgaben einzuhalten und so die Bürger zu schützen.