Parlamentswahl Spanien: Wahlprognose

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Spanische Flagge

PP und PSOE liefern sich bei der Wahlprognose zur spanischen Parlamentswahl am 20. Dezember ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Knapp hinter den beiden Parteien, die bis jetzt die Wahllandschaft dominierten, steigt die Popularität der katalanischen Partei Ciudadanos. Die Stimmen für Podemos sinken dagegen stetig.

Die Forderung der Wähler nach einem Mehrparteiensystem zeichnet sich immer mehr ab. Jahrelang wechselten sich die konservative Partido Popular (kurz: PP; dt.: Volkspartei) und die sozialdemokratische Partido Socialista Obrero Español (kurz: PSOE; dt.: Spanische Sozialistische Arbeiterpartei) bei der Regierung Spaniens ab. Mitte 2014 pirschte die linksorientierte Protestpartei Podemos (dt.: Wir können) in die Parteilandschaft und überraschte bei der andalusischen Regional- und nationalen Europawahl. Anfang 2015 schaffte die Partei Ciudadanos – Partido de la Ciudadanía (kurz: C’s; dt.: Staatsbürger – Partei der Bürgerschaft) den Sprung als katalanische Regionalpartei auf die nationale Politikebene.

Laut Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Metroscopia zur Parlamentswahl, liegt die mittig-gerichtete Partei C’s mit 21,5 Prozent nur knapp hinter den beiden Parteiriesen PP (23,4%) und PSOE (23,5%). Podemos hinkt mit 14,1 Prozent ihren Spitzenwerten vom Januar (28,2%) immerhin, noch als viert beste Partei hinterher. Ganz weit abgeschieden aber dafür konstant, liegt mit 5,6 Prozent das linkssozialistische Parteienbündnis Izquierda Unida (kurz: IU; dt.: Vereinigte Linke) bei der Wahlprognose.

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Grafik: El País

Die Mehrheit der Spanier (69%) ist der Meinung, dass dem Land ein Parteienwechsel, bei dem weder die PP noch die PSOE regiert, gut tun würde. 25 Prozent finden das keine gute Idee und 6 Prozent enthalten sich. Bei einem Wechsel würden 59 Prozent der Befragten eine Regierung der C’s mit dem Parteivorsitzenden Albert Rivera bevorzugen, als von der Protestpartei Podemos mit Pablo Iglesias Turrión (23%) regiert zu werden.

PP-Sparpolitik und ihre Folgen

Die PP versucht schon lange nicht mehr, neue Wähler auf ihre Seite zu ziehen, sondern appelliert an die Loyalität ihrer Stammwähler. Mit aller Macht versucht sie sich in ein gutes Licht zu rücken und zeigt auf, dass sie ihre Wahlversprechen eingelöst und Spanien durch ihren Regierungsstil zu größerem Wachstum verholfen hat. Besonders im Wirtschaftsraum hat Spanien sich durch die strenge Sparpolitik erholt, so scheint es zumindest. Unabhängige Stimmen wie die EU-Kommission, teilen nicht die optimistischen Zukunftsvoraussagen der PP und fordern eine realistische Überarbeitung des Haushaltsplans für 2016.

Das Wirtschaftswachstum Spaniens hat zwar einen enormen Aufschwung vermelden können, jedoch sieht es im Innern des Landes nicht so rosig aus. Mit 22 Prozent Arbeitslosigkeit, Lohnkürzungen von bis zu 35 Prozent, Knebelgesetzen, Zwangsräumungen und Hungerschlangen hat die soziale Lage Spaniens unter der harten Hand der Regierung gelitten. Die Austeritätsmaßnahmen hat das spanische Volk satt, besonders in Verbindung mit Korruptionsskandalen. Bei den Umfragen im Oktober gaben 68 Prozent der Befragten ihre Unzufriedenheit mit der PP kund, nur 23 Prozent unterstützten den Regierungsstil und 4 Prozent enthielten sich.

Parteiprogramm von Podemos

Gründungsziel der Partei Podemos war es, eine Alternative zu den dominierenden Hauptparteien PP und PSOE auf den Wahllisten anzubieten und ein Mehrparteiensystem in Spanien zu aktivieren. Dies haben sie bereits bei der Europawahl geschafft. Ein Hauptziel des Parteiprogramms ist die Aufhebung der Schuldenbremse. Das 2011 in Kraft getretene Gesetz ging aus den Forderungen von Bundeskanzlerin Merkel und dem französischen Präsidenten Sarkozy hervor und besagt, dass verbindliche Defizite und Verschuldungsgrenzen verfassungsmäßig festzuschreiben sind. Spanien wollte mit der Verfassungsänderung die Staatsverschuldung in den Griff bekommen. Kritiker der Schuldenbremse befürchten durch eine statische Finanzpolitik keine dynamische Verteilung der Gelder im staatlichen Haushalt. Die Schuldenbremse sieht vor, dass der private Sektor so stark verarmen muss und ihm keine Ersparnis aus seinem Einkommen möglich ist, bis sich der Staat und das Ausland und der Unternehmenssektor nicht mehr weiter verschulden. Der Anstieg der Arbeitslosigkeit und der Rückgang des Privatkonsums sind die Folgen.

Pablo Inglesias und seine Partei fordern zudem die volle Anwendung des Paragraphen 128 „Der gesamte Reichtum des Landes in seinen unterschiedlichen Formen und was auch immer seine Rechtsform sein möge, untersteht dem allgemeinen Interesse“, da diesem nicht nachgekommen werde. Weitere Programmpunkte sind: Beibehaltung des öffentlichen Charakters der Bildung und der Gesundheit; Erhöhung der Löhne und Reindustrialisierung; Schaffung eines Bestandes an öffentlichen Wohnungen und rückwirkende Anwendung der dación en pago (Gesamtschuldentilgung durch Wohnungsübereignung); sowie Widerstand gegen eine restriktive Reform des Schwangerschaftsabbruchgesetzes. Die Bewegung fordert darüber hinaus die Abschaffung der Ausländergesetze und den Austritt Spaniens aus der NATO.  Podemos plädierte bei der Katalonienwahl für das Recht, über seine Unabhängigkeit selbst zu entscheiden.

Parteiprogramm der Ciudadanos

Im Mittelpunkt des wirtschaftlichen und sozialen Programms der C’s steht der Kampf gegen die Wirtschaftskrise. Um die Arbeitslosigkeit zu senken, schlägt die Partei vor, prekäre und befristete Arbeitsverhältnisse zu verbieten, sowie vor allem Langzeitarbeitslose durch Weiterbildungsmaßnahmen besser zu unterstützen. Betriebe, die Langzeitarbeitslose einstellen, sollen steuerlich begünstigt werden. Die Partei fordert zudem eine Vereinfachung und Senkung der Einkommenssteuer, was sie mit einer Erhöhung der Körperschaftssteuer gegenfinanzieren will. Auch die Mehrwertsteuer soll gesenkt werden. Zur Reduzierung der Armut fordert sie eine staatliche Zusatzleistung für Löhne unterhalb des Existenzminimums, die Entschuldung von Individuen und Firmen soll zudem vereinfacht werden. Reformen im Bildungsbereich, der Abbau von Doppelgleisigkeiten in der Verwaltung sowie der Kampf gegen die Korruption werden zudem explizit als Maßnahmen angesehen, die wirtschaftliche Entwicklung voranzubringen.

Der Demokratieausbau ist ebenfalls ein großer Punkt im Parteiprogramm der Ciudadanos. Die Gruppierung fordert sowohl eine Reform der inneren Struktur der politischen Parteien als auch ihrer Finanzierung. Alle politischen Parteien sollen interne Vorwahlen abhalten, in denen die Parteimitglieder die Kandidaten auf den Wahllisten festlegen. Außerdem sollen Unvereinbarkeitsbestimmungen der Kandidaten für politische Ämter verschärft sowie die Transparenz der Parteistatuten und -ausgaben erhöht werden, um gegen Korruption vorzugehen. Parteien sollen sich aus diesem Grund auch neben der öffentlichen Parteienförderung nur mehr durch Spenden natürlicher Personen finanzieren können, die zudem höchstens 50.000 Euro betragen dürfen. Spenden durch juristische Personen sowie Kreditaufnahmen durch politische Parteien sollen verboten werden. Als weiterer Schritt zur Stärkung der Demokratie wird eine Entflechtung der Gewalten gefordert, vor allem die Unabhängigkeit der Justiz soll gestärkt werden. Des Weiteren fordert die Partei eine Reform des Wahlsystems. Durch Einführung einer zusätzlichen Ebene sollen die Wahlergebnisse zum Kongress proportionaler werden und damit kleinere Parteien weniger stark benachteiligen. Wähler sollen zudem die Möglichkeit erhalten, die Reihenfolge der Kandidaten auf der Wahlliste mittels Vorzugsstimmen zu verändern.

Weitere Programmpunkte sind: Gleichheit und Kooperation zwischen dem Zentralstaat und den autonomen Regionen; Reform der Finanzierung der autonomen Regionen, dazu gehört die Einführung der Steuerhoheit der autonomen Gemeinschaften bei einigen indirekten Steuern und die Abschaffung der Sonderrechte (Fuero) des Baskenlandes und Navarras; Ausführung der verfassungsrechtlichen Individualrechte; Nutzung und Erhalt der spanischen und regionalen Sprache im Bildungs-, Verwaltungs- und Medienbereich. Die katalonische Partei Ciudadanos sprach sich bei der Regionalwahl gegen ein unabhängiges Katalonien aus und warb für einen neuen politischen Stilwechsel.

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