Die Europäische Erbrechtsverordnung (EuErbVO) wurde am 27.07.2012 in dem offiziellen Anzeiger der Europäischen Union veröffentlicht und ist am 17. August 2012 in Kraft treten. Vollumfänglich anzuwenden ist sie allerdings erst am 17. August 2015.
Der Beitrag zeigt auf,
- wen die Rechtsänderung betrifft
- welche Folgen sie hat und
- wer jetzt handeln sollte.
Beim Tod eines Deutschen war bisher in aller Regel im Hinblick auf alle erbrechtlichen Fragen (Wer erbt? Wie hoch ist der Pflichtteil? Wie wird ein Testament ausgelegt?) deutsches Recht anzuwenden. Auf den Wohnort des Verstorbenen oder die Lage der Erbmasse kam es hingegen nicht an. Für Erbfälle nach dem 17.08.2015 gilt dies nun so nicht mehr: Stattdessen bestimmt die neue Europäische Erbrechtsverordnung (EuErbVO), dass das Recht des letzten „gewöhnlichen Aufenthalts“ des Verstorbenen anzuwenden ist. Auch bei einem Deutschen kann daher nun spanisches Erbrecht anzuwenden sein.
Was heißt „gewöhnlicher Aufenthalt“?
Überraschenderweise wird der Begriff „gewöhnliche Aufenthalt“ nicht vom Gesetzgeber definiert. Klar ist, dass der bloße Umstand, dass sich eine Person in Spanien als „resident“ meldet, noch keinen gewöhnlichen Aufenthalt begründet. Klar ist auch, dass ein vorübergehender Aufenthalt noch kein „gewöhnlicher Aufenthalt“ ist. Ein Urlaubsaufenthalt in Spanien führt also nicht zur Anwendbarkeit spanischen Erbrechts, auch wenn die Person in Spanien verstirbt.
Beispiel: E, deutscher Staatsangehöriger, verbringt regelmäßig seinen Sommerurlaub in seiner Finca in Spanien. Auch wenn er im Zeitpunkt seines Todes in Spanien ist, hat er dort keinen „gewöhnlichen“ Aufenthalt und wird nicht nach spanischem Erbrecht beerbt, sondern nach deutschem Erbrecht!
Allerdings ist wohl auch keine Mindestaufenthaltsdauer erforderlich, insbesondere nicht etwa (wie zum Teil verbreitet) analog der steuerlichen Regeln ein Aufenthalt von 183 Tagen. Daher kann ein neuer „gewöhnliche Aufenthalt“ bereits mit Umzug nach Spanien begründet werden.
Beispiel: E, deutscher Staatsangehöriger, will dauerhaft nach Spanien übersiedeln und Deutschland endgültig hinter sich lassen. Kurz nach seinem Umzug nach Spanien verstirbt er bei einem Unfall. Obwohl er erst seit kurzem angekommen ist, dürfte sein „gewöhnlicher Aufenthalt“ in Spanien sein, so dass spanisches Erbrecht anzuwenden ist.
Besonders problematisch sind die Fälle, in denen sowohl in Deutschland als auch in Spanien ein Wohnsitz besteht.
Beispiel: E, deutscher Staatsangehöriger, verbrachte seit Eintritt in den Ruhestand Winter und Herbst in Spanien. Im Sommer und Frühling lebte er hingegen in Deutschland. In den letzten Jahren vor dem Tod fiel ihm das Reisen aber so schwer, dass er nur noch in Spanien war. Hier wird man argumentieren können, dass der gewöhnliche Aufenthalt Spanien war. Bestanden allerdings engere soziale Bindungen nach Deutschland kann der gewöhnliche Aufenthalt auch Deutschland sein. So oder so: Über diese Frage kann man trefflich streiten!
Bei dauerhaftem Aufenthalt in Spanien droht Benachteiligung des Ehegatten!
Fast allen Deutschen wird unklar sein, welche Regelungen nach spanischem Erbrecht gelten. Einige Regelungen des spanischen Rechts dürften auch kluge Köpfe überraschen: So erhält z.B. der überlebende Ehegatte nach spanischem Erbrecht bei Fehlen eines Testaments (gesetzliche Erbfolge) nur einen Nießbrauch an einem Drittel der Erbschaft.
Beispiel: Im obigen Beispiel hat E kein Testament errichtet. Er hinterlässt seine Ehefrau und ein Kind. Die Ehefrau erhält nur einen Nießbrauch an einem Drittel der Erbschaft!
Überraschend ist außerdem der Umstand, dass die Kinder als Pflichtteil 2/3 der Erbschaft beanspruchen können, selbst wenn sie im Testament enterbt werden!
Beispiel: E, deutscher Staatsangehöriger, mit dauerhaftem Aufenthalt in Marbella setzt in seinem Testament seine Ehefrau zur Alleinerbin ein. Die Kinder sollen erst nach ihrem Tod das Vermögen der Eheleute erhalten. Nach dem wegen dem dauerhaften Aufenthalt des E anzuwendenden spanischen Erbrecht können die Kinder aber gleichwohl 2/3 des Vermögens des E als Pflichtteil beanspruchen!
Im spanischen Recht erhält der überlebende Ehegatte, der im Güterstand der „Errungenschaftsgemeinschaft“ verheiratet ist, daneben regelmäßig immerhin 1/2 des gemeinschaftlichen Ehevermögens. Deutsche sind hingegen regelmäßig im Güterstand der Zugewinngemeinschaft verheiratet und haben kein „gemeinschaftliches Ehevermögen“. Zwar kann u.U. ein Anspruch auf Zugewinnausgleich bestehen, gerade im Fall einer späten Heirat kann der Zugewinnausgleichsanspruch aber gering sein.
Noch schlimmer kann es kommen, wenn Deutsche nach dem 17.08.2015 (ohne Rechtswahl) ein Berliner Testament errichten, ohne deutsches Recht zu wählen. Dieses wäre bei Anwendbarkeit (gemein-) spanischen Rechts unwirksam! Vor dem 17.08.2015 errichtete Berliner Testamente von Deutschen bleiben hingegen wirksam.
Rechtswahlmöglichkeit nutzen!
Bisher war eine Rechtswahl im Erbrecht nur in wenigen Fällen zulässig. Die neue Europäische Erbrechtsverordnung ändert dies nun: Der Erblasser kann mit Testament das Erbrecht einer seiner Staatsangehörigkeiten wählen. Diese Rechtswahl ist schon heute möglich, hat allerdings nur beim Tod nach 17.08.2015 Wirkung. Das Erbrecht kann ein Deutscher in einem eigenhändigen Testament oder notariellem Testament wählen.
Wird deutsches Recht gewählt, können Eheleute auch weiterhin ein gemeinschaftliches Testament („Berliner Testament“) auch dann wirksam errichten, wenn sie in Spanien dauerhaft leben.
VORSICHT: Wir raten von einer Beurkundung vor einem spanischen Notar ohne vorherige Beratung durch einen deutschen Juristen ab, da spanische Notare das deutsche Erbrecht nicht kennen.
Sinnvoll ist es hingegen in der Regel, das Testament vor einem deutschen Notar zu erstellen.
Da diese das spanische Steuerrecht nicht kennen, sollten Sie sich aber auch in diesem Fall ergänzend beraten lassen.
Jan-Hendrik FRANK / José Martínez SALINAS
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