Reiten lernen in Andalusien – Eine Reportage

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Reiten lernen in Andalusien

Andalusien ist für seine Pferde und Reitkultur weltbekannt. Es gibt wenige Plätze in Europa, an welchen das Pferd so im Vordergrund steht wie im Süden Spaniens.

Bei der königlichen Hofreitschule in Jerez angefangen, über die vielen Pferdezuchten bis zur täglichen Arbeit mit Pferden auf den unendlichen Weiten Andalusiens, lässt sich das Pferd einfach nicht wegdenken. Dafür steht auch die weltbekannte spanische Pferderasse Pura Raza Española, kurz PRE genannt, dessen Zucht vom spanischen Verteidigungsministerium streng reglementiert und kontrolliert wird.

“Setze einen Andalusier aufs Pferd und er kann es reiten.”

Fangen wir am Anfang an. Dem Reitstall.

Zuerst einmal ist das Führen und Betreiben eines Reitstalles unendlich viel Arbeit! Man muss kein Mathematiker sein, um die täglichen Stunden zusammenzählen zu können, welche den Tag über, von früh morgens bis spät abends, anfallen. Am frühen Morgen geht es dann los, Pferde von dieser Weide runter, und auf die andere Weide wieder rauf, Pferde aus der einen Box raus, und in die andere wieder rein, Ställe ausmisten, dazwischen 100 km Schubkarren fahren, und nach einer Zeit wieder alles zurück, und das Ganze auch noch zweimal am Tag. Das eine Pferd muss zugefüttert werden, das andere bekommt eine andere Futtermischung, und eines bekommt weniger, weil es zu dick geworden ist und alle werden täglich zur selben Zeit gefüttert. Das Ganze unterliegt einem bewährten und geregelten System, welches bei 30 Pferden notwendig ist, da der Tag nur 24 Stunden hat. Dabei ist es unglaublich, wie der Misthaufen an einem Tag in die Höhe wächst.

Kurzum, ein Reitstall ist Knochenarbeit und hat mit Mädchenromantik wenig zu tun. Hinzu kommt das Bewegen, oder Ausreiten der Pferde. Putzen, Halfter anlegen, Zaumzeug anlegen, Halfter wieder runter, aufsatteln, und dabei immer darauf achten, dass die Tiere nicht zusammenkommen, welche sich nicht verstehen, damit man nicht in einem Hufgemenge steht. So ein Pferdegezanke ist alles andere als spaßig, besonders wenn man mittendrin steht.

Erste Reitstunde

Eines Wintertages ergab sich für mich die erste Reitstunde, und ich machte zu Pferd weiß Gott keine elegante Figur. Die stolze andalusische Reithaltung ging mir einfach ab.

Dennoch brachte ich meine ersten Erkenntnisse mit nach Hause, dass hier üblicherweise im spanischen Vaquero-Stil, einhändig mit linker Hand, mit von oben in die Zügel herein greifendem Ringfinger, mit dem Zügelende zwischen Daumen und Zeigefinger, geritten wird, die Pferde auf akustische Kommandos geschult sind, und das Reiten über die Hüftbewegung und das Reitergewicht gesteuert wird. So sollte das zumindest im optimalen Fall sein. Das kommt daher, das Pferd und Reiter eine traditionelle Arbeitseinheit sind und somit die rechte Hand zum Arbeiten frei bleibt, wobei das beste Beispiel die Garrocha ist, bei welcher die Stiere vom Reiter mit der Garrocha, einem langem Stab getrieben und eingefangen werden.

Drei Reitweisen

Grundsätzlich gibt es grob gesagt, drei Reitweisen, die Englische, die Spanische (Vaquero) und der Westernstil der sich aus der spanischen Reitweise entwickelt hat. Diese unterscheiden sich an der unterschiedlichen Zügelhaltung, am Sattel und der Reitweise im Allgemeinen.

Bei der englischen Reitweise wird beidhändig mit kaum wahrnehmbaren Bewegungen geritten. Dies wirkt auf den Betrachter sehr elegant, wenn ein guter Reiter eine schöne Dressurkür oder einen schön gerittenen Springparcours reitet. Schritt, Trab und Galopp bestimmen die Bewegungen des Reiters und des Pferdes. Beim Trab wird das Pferd durch eine auf und ab Bewegung des Reiters entlastet. Dabei ist die Taktfindung nicht ganz einfach und erfordert einiges an Übung. Der Sattel selbst lässt Gemütlichkeit vermissen und erfordert Disziplin. Ich war überrascht, an welchen Stellen Muskelkater möglich ist.

Anders verhält es sich beim Westernreiten. Hier bleibt der Reiter beim Trab und Galopp fest im Sattel sitzen. Diese Sättel wirken sehr gemütlich, sehen auch so aus und entlasten Pferd und Reiter vor allem bei langen Arbeitsritten durch die breite Auflage des Sattels. Dem Reiten liegt auch ein militärischer Ursprung zugrunde. Das zum Beispiel alles von der linken Seite aus geschieht, aufzäumen, aufsatteln und aufsteigen.

Schwieriger wird es dann, wenn unterschiedliche Pferde ins Spiel kommen, welche sich im Wesen und Charakter sehr differenziert verhalten. Denn dann bleiben überraschende Situationen mit den sensiblen Tieren nicht aus, und unbedachtes Handeln kann schon mal eine ungewollte Reaktion hervor rufen, und einen “Scheiße, was war denn das!“ fluchen lassen.

Motivation

Wenn ich jetzt an das zurückliegende Jahr meines “reiten Lernens” denke, sind es wirklich kleine Schritte, mit welchen ich vorankomme, und so mancher unterschätzt die Komplexität der hohen Reitschule, die alles andere als einfach ist. Andererseits sind die klitzekleinen Schritte, auch die Motivation zum Weitermachen. Denn das Reiten am Strand, in den Pinienwäldern, oder auf dem Campo ist ein befreiendes Gefühl und leert, am besten frühmorgens den Kopf. Und was will man mehr?

Mein Dank geht an die Schweizer Tierärztin Christina Ward, Besitzerin des Reitstalls “Aventura Ecuestre” bei Tarifa, die mich mit viel Geduld und ihrem Charme in die Welt der Pferde entführt hat und mir ganz neue Blicke ermöglicht.

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