Wahlen in Andalusien 2015: Tag der Protestparteien?

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Susana Díaz PSOE

+++ Update 21.3.15: Ergebnisse jetzt in der Strandgazette. +++

Am Sonntag ist es soweit: Am 22. März findet der Auftakt des spanischen Superwahljahres in Andalusien statt. Dann sind alle 6,5 Millionen wahlberechtigten Andalusier aufgefordert ihre Stimme für ein neues Parlament abzugeben.

Nachdem Susana Díaz (PSOE) im Januar die Koalition mit Izquierda Unida überraschend aufgelöst hatte, wird in der Folge nun ein neues Parlament in Andalusien gewählt. Andalusien gilt als wichtiger Stimmungsindikator für Spanien. Im Herbst finden dann die gesamtspanischen Parlamentswahlen statt. Außerdem stehen im Mai noch die Regional- und Kommunalwahlen in ganz Spanien an. Im September soll in Katalonien ein neues Parlament gewählt werden. Die Wahl in Andalusien 2015 an diesem Sonntag ist also für das ganze Land immens wichtig.

Offiziell löste Ministerpräsidentin Susana Díaz das andalusische Parlament auf, weil es Meinungsverschiedenheiten mit dem Koalitionspartner Izquierda Unida (IU) gab. Von viele Seiten hört man jedoch, dass diese Entscheidung eine strategische Entscheidung gegen die aufstrebenden Protestparteien war. Vor allem Podemos sollte in Andalusien keine Zeit gelassen werden sich zu formieren und den Sozialisten Stimmen abzuknöpfen. In Andalusien hat Podemos bisher nur eine sehr schwache Parteistruktur. Aufgrund fehlender Kandidaten musste die Partei sogar die Europaparlamentarierin Teresa Rodríguez als Spitzenkandidatin nominieren. Eigentlich wollte sich Rodríguez in Straßburg einbringen und nicht in das andalusische Parlament.

Díaz ignoriert Moreno

Die Strategie von PSOE-Spitzenkandidatin Susana Díaz zielt gegen konservativen spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy (PP). Der PP-Kandidat für Andalusien Juan Manuel Moreno wird dabei vollends ignoriert. Díaz macht Rajoy für die Krise in Andalusien verantwortlich. Er füge der Region Andalusien absichtlich Schaden zu, weil Andalusien seit Langem von der PSOE geführt wird. So habe Rajoy zum Beispiel gegen das Dekret zum Hypothekengesetz Einspruch erhoben, nur um die sozialistische Regierung in Bedrängsnis zu bringen. Dabei sei ihm das Wohl der vielen Arbeitslosen in Andalusien völlig egal gewesen.

Moreno: „Präsidentin der Arbeitslosigkeit“

Der ignorierte Spitzenkandidat der PP Juan Manuel Moreno hingegen wirft Susana Díaz vor das andalusische Volk absichtlich belogen zu haben. In seinen öffentlichen Auftritten während des Wahlkampfes in Andalusien beschimpfte er Díaz immer wieder unter anderem als eine Lügnerin mit Hochmut. Außerdem nannte er sie die „Präsidentin der Arbeitslosigkeit“. In dieser aufgeheizten Stimmung, zeigt sich wie sehr beide Parteien zu kämpfen haben und ihre Stimmen verteidigen wollen. Es steht viel auf dem Spiel.

Wie stark sind Podemos und Ciudadanos?

Denn schließlich wird diese Wahl einen wichtigen Aufschluss geben, wie stark die beiden aufstrebenden Protestparteien Podemos und Ciudadanos wirklich sind. Beide Parteien sorgen seit Monaten aufgrund anhaltender Umfragehochs für Sorgenfalten auf den Stirnen der beiden großen Parteien PP und PSOE. Andalusien wird bereits seit Jahrzehnten von der sozialistischen PSOE regiert. Für eine absolute Mehrheit hat es aber zuletzt nicht mehr gereicht. Auch in diesem Jahr sieht es nach jüngsten Umfragen nicht danach aus, dass die 40-jährige Ministerpräsidentin Susana Díaz alleine regieren könnte. Die konservative PP hingegen versucht zur Zeit alles, um ein drohendes Debakel noch im letzten Moment zu verhindern.

Verschiedene Umfragen sehen sowohl Podemos, als auch Ciudadanos zur Zeit bei 10 – 15 Prozent der Stimmen. Eine Wahl kann damit nicht gewonnen werden, jedoch könnte dieses Ergebnis reichen, um im ganz Spanien weiterhin für Furore zu sorgen und für die anderen Wahlen zu werben. Die Sozialisten liegen laut einer Umfrage von Metroscopia bei knapp 37 Prozent und die Konservativen könnten nach der gleichen Umfrage auf rund 25 Prozent der Stimmen kommen. Izquierda Unida hat unter dem Aufstieg von Podemos zu leiden und würde nur noch auf 8 Prozent der Wähler hoffen können. Zum Vergleich: Bei der Wahl 2012 erreichte IU immerhin 11,3 Prozent.

Podemos hofft auf Wahlerfolg

Der Generalsekretär von Podemos Pablo Iglesias hofft trotz der Umfragen auf eine Überraschung. Denn immerhin gelang der jungen Partei bei den Eurpawahlen im vergangenen jahr bereits eine dicke Überraschung. Der Partei wurde laut Umfragen nur ein Sitz -wenn überhaupt- zugetraut. Letzten Endes konnten sie jedoch sogar fünf Abgeordnete in das Parlement in Straßburg schicken. Traditionell sind die Umfragen in Spanien nicht so genau wie man das aus deutschen Umfragen kennt. Die Sondierungen liegen oft sogar total daneben und werden von regierungsnahen Zeitungen häufig sogar zur Stimmungsmache genutzt. So sind die Umfragewerte bei El País häufig viel besser für die PSOE und die Werte von El Mundo liegen traditionell für die PP besser. Die beiden Zeitungen sind die größten Tageszeitungen Spaniens. Linke Parteien werden in den Umfragen nur selten richtig eingeschätzt, sodass es für Podemos durchaus die große Überraschung geben könnte.

Ganz egal wie die Wahl in Andalusien ausgeht, eines ist jetzt schon klar: Das Zwei-Parteiensystem in Andalusien und in Spanien ist Geschichte. PP und PSOE hatten 2012 noch über 80 Prozent der Stimmen. Davon kann nun keine Rede mehr sein. „PPSOE“, wie Podemos-Generalsekretär Pablo Iglesias die beiden Volksparteien nennt, kann bei dieser Wahl allenfalls noch zusammen auf 60 Prozent der Stimmen hoffen. Denn die beiden aufstrebenden Protestparteien Podemos und Ciudadanos nehmen PP und PSOE immer mehr Stimmanteile weg. Auch die linke Alternative „Izquierda Unida“ wird zusammen mit PP und PSOE stark einbrechen, wenn man den Prognosen der Tageszeitungen in Spanien glauben schenken kann. Beide Parteien wollen „endlich das korrupte Regime loswerden“ und einen kompletten Neuanfang starten.

Wahlergebnisse in Andalusien von 1982 bis 2012:

PSOE PP IU PA UCD Sitze
gesamt
Stimmen Sitze Stimmen Sitze Stimmen Sitze Stimmen Sitze Stimmen Sitze
I 1982 52,56% 66 17,03% 17 8,53% 8 5,38% 3 13,05% 15 109
II 1986 47,22% 60 22,26% 28 17,88% 19 5,88% 2 109
III 1990 50,12% 62 22,40% 26 12,80% 11 10,86% 10 109
IV 1994 38,71% 45 34,36% 41 19,14% 20 5,79% 3 109
V 1996 44,05% 52 33,96% 40 13,97% 13 6,66% 4 109
VI 2000 44,32% 52 38,02% 46 8,11% 6 7,43% 5 109
VII 2004 50,36% 61 31,78% 37 7,51% 6 6,16% 5 109
VIII 2008 48,41% 56 38,45% 47 7,06% 6 2,76% 0 109
IX 2012 39,56% 47 40,67% 50 11,35% 12 2,50% 0 109

Andalusien besitzt seit 1982 Autonomiestatus. Seitdem haben neun Wahlen stattgefunden, wobei die PSOE mit Ausnahme von der Wahl 2012 immer stärkste Partei wurde. 2012 lag die PP erstmals knapp vor der PSOE konnte jedoch keinen Koalitionspartner finden, sodass die PSOE mit Unterstützung der IU wieder den Ministerpräsidenten stellen konnte. Damit gab es in der Geschichte Andalusiens ausschließlich Ministerpräsidenten der PSOE.

Mit wem koaliert PSOE?

Die Partei von Susana Díaz hatte erst bei den Wahlen 2012 das zweit schlechteste Ergebnis aller Zeiten eingefahren. Nur 1994 wählten noch weniger Andalusier die PSOE. Damals musste Ministerpräsident Manuel Chavez Gonzáles, der Andalusien von 1990 bis 2009 fast 20 Jahre regierte, eine Minderheitsregierung errichten, da sich kein passender Koalitionspartner gefunden hatte. Lange Zeit konnte die sozialistische Partei während der letzten Legislaturperioden sogar mit absoluter Mehrheit regieren.

Da Susana Díaz gerade die Koalition mit IU für beendet erklärte, ist es wohl sehr unwahrscheinlich, dass beide Parteien wieder zusammengehen werden. Wahrscheinlicher hingegen wäre eine Koalition zwischen PSOE und Podemos. Damit würde die junge Protestpartei zum ersten Mal in ihrer Geschichte in ein Landesparlament einziehen. Bei der Europawahl im letzten Jahr konnte Podemos bereits fünf Abgeordnete nach Straßburg schicken.

„Koalition mit Andalusien“

Auch eine Koalition mit Ciudadanos wäre denkbar. Bei beiden Konstellationen ist jedoch zu beachten, dass Susana Díaz eine Koalition mit Podemos nicht wünscht, im Gegenzug der andalusische Spitzenkandidat von Ciudadanos eine Koalition mit der PSOE für ausgeschlossen hält. Man sei eben nicht angetreten, damit am Ende alles beim Alten bleibt. Eine Regierungsbildung wird unter diesen Voraussetzungen also schwierig.

Susana Díaz hat im Wahlkampf auch bereits deutlich klar gemacht, dass sie überhaupt keine Koalition wünscht. Sie setzt alles auf eine Karte und möchte die absolute Mehrheit erreichen. Im mehreren Wahlkampfveranstaltungen der PSOE in Andalusien hat sie immer wieder betont, dass sie angetreten sei um zu gewinnen und nicht um zu koalieren. Dabei fiel immer wieder der Spruch: „Ich möchte eine Koalition mit den Bürgern Andalusiens und nicht mit einer anderen Partei.“

Andalusische Ministerpräsidenten von 1982 bis 2015:

Legislatur Zeitraum Ministerpräsident Partei Bemerkungen
I 1982–1984 Rafael Escuredo Rodríguez PSOE
1984–1986 José Rodríguez de la Borbolla PSOE
II 1986–1990 José Rodríguez de la Borbolla PSOE
III 1990–1994 Manuel Chaves González PSOE
IV 1994–1996 Manuel Chaves González PSOE Minderheitsregierung
V 1996–2000 Manuel Chaves González PSOE Koalition PSOE/PA
VI 2000–2004 Manuel Chaves González PSOE Koalition PSOE/PA
VII 2004–2008 Manuel Chaves González PSOE
VIII 2008–2009 Manuel Chaves González PSOE
2009–2012 José Antonio Griñán Martínez PSOE
IX 2012–2013 José Antonio Griñán Martínez PSOE Koalition PSOE/IU
2013–2015 Susana Díaz Pacheco PSOE
X 2015– Wahlen am 22.März 2015

 

Wahl in Andalusien: Vertrauenstest für PP und PSOE

Die Andalusienwahl wird auch ein Stimmungstest für die beiden großen Volksparteien, die über Jahrzehnte keinerlei Konkurrenz in Spanien zu fürchten hatten. Nach den vielen Korruptionsskandalen der letzten Jahre ist das Vertrauen in die Parteien jedoch stark gesunken. Die Wahl in Andalusien am Sonntag wird zeigen wie viel Vertrauen im Volk noch übrig ist.

Die Sozialisten haben sich nach den Skandalen weitestgehend mit neuem Personal ausgestattet, um selbst einen Neuanfang zu starten. Susana Díaz übernahm vor zwei Jahren mitten in der Legislaturperiode das Amt des Ministerpräsidenten von José Antonio Griñan. Dieser zog sich zurück, da gegen ihn wegen Korruption ermittelt wurde. Laut den Vorwürfen sollen in den letzten Jahren über 130 Millionen Euro öffentliche Gelder in einem Netzwerk aus PSOE und Gewerkschaften verschwunden sein. Unter anderem haben regierungsnahe Unternehmen staatliche Gelder kassiert, die eigentlich für Fortbildungsmaßnahmen Arbeitsloser gedacht waren.

„Rajoy trägt die Schuld an der Krise in Andalusien“

Die konservative Partido Popular hat auch damit zu kämpfen, dass die Andalusier Ministerpräsident Mariano Rajoy und sein Kabinett für die Wirtschaftskrise verantwortlich machen. Andalusien leidet noch immer unter der schweren Krise und einer hohen Arbeitslosigkeit, jedoch wird dafür nicht die sozialistische Landesregierung in Sevilla verantwortlich gemacht, sondern die konservative Zentralregierung in Madrid.

Trotz der hohen Bedeutung der Wahlen in Andalusien, sollte aber auch beachtet werden, dass Andalusien klassisch eher mehr links wählt, als der Rest Spaniens. Dies hat vor allem mit dem hohen Anteil der Arbeiter im Agrarsektor zu tun, die für gewöhnlich eher links wählen. Deshalb sollten Prognosen für die Spanienwahl, die aus der Andalusienwahl abgeleitet werden, mit Vorsicht zu betrachten sein. Fakt ist aber auch, dass die Partei, die in der armen, aber bevölkerungsreichsten Region Spaniens gewann, auch fast immer die spanische Regierung stellte.

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