Die Europäische Kommission in Brüssel leitet 40 Vertragsverletzungsverfahren gegen 19 EU-Länder ein, weil sie die zusammen beschlossene Asylgesetzgebung nicht ausreichend umgesetzt haben. Die betroffenen Mitgliedsstaaten haben nach der Mahnung zwei Monate Zeit, die Gesetzgebung in ihr nationales Recht umzusetzen.
Unmittelbar vor der EU-Sondersitzung zur Flüchtlingskrise werden neben Deutschland auch die Länder Spanien, Frankreich, Italien, Österreich, Niederlande und Ungarn abgemahnt. Nicht betroffen sind Dänemark, Irland und Großbritannien, da sie an der EU-Asylgesetzgebung nicht teilnehmen. Brüssel wirft den Staaten vor, die bestehende europäische Gesetzgebung zur Anerkennung von Flüchtlingen (RL 2011/95/EU), zu den Mindestnormen für Asylverfahren (RL 2013/32/EU) und zu den Aufnahmebedingungen von Asylbewerbern (RL 2013/33/EU) nicht in nationales Recht umgesetzt zu haben. Zwei Monate haben die Länder Zeit die zusammen beschlossene Asylgesetzgebung ordnungsgemäß umzusetzen, sollten die EU-Länder dies nicht tun, droht ihnen eine Anklage vor dem Europäischen Gerichtshof.
„Es nützt nichts, bei Gipfeltreffen über neue Regeln in der Migrationspolitik zu beraten, wenn die bestehende Gesetzgebung nur völlig unzureichend eingehalten wird. Verantwortung und Solidarität müssen in der Asylpolitik Hand in Hand gehen“, hieß es in hohen EU-Kreisen.
Ungewöhnlich ist der Zeitpunkt der Abmahnung. Mit der Veröffentlichung unmittelbar vor dem EU-Sondergipfel, versucht Jean-Claude Juncker die Mitgliedsländer daran zu erinnern, dass Gesetze, die sie selbst mit verabschiedet haben, auch eingehalten werden müssen. Die Umsetzungsfristen endeten im Juni 2015. Dieses Mal war die Kommission nicht bereit, den Mitgliedsstaaten einen weiteren Aufschub zu gewähren.
„Die europäischen Rechtsvorschriften müssen von allen Mitgliedstaaten angewandt werden – dies sollte in einer Union, die auf Rechtssicherheit basiert, eigentlich selbstverständlich sein“, sagte Juncker.
Bereits in den vergangenen Monaten hatte Juncker 35 Verfahren wegen Verstöße gegen die EU-Asylgesetzgebung eingeleitet. Die neu dazu gekommenen 40 Vertragsverletzungsverfahren sind für die EU-Staats- und Regierungschefs eine hohe Hausnummer.
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