Knebelgesetz in Spanien schränkt Demonstrationsfreiheit ein

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Knebelgesetz Ley Mordaza in Spanien

Im Herbst wird in Spanien das Parlament neu gewählt. Erst vor wenigen Wochen hat die regierende Volkspartei PP bei den Regionalwahlen erdrutschartige Verluste erlitten. Trotzdem hat die mit absoluter Mehrheit im Madrider Parlament regierende Partei nun das umstrittene „Gesetz zum Schutz des Bürgers“ beschlossen.

Zum 1. Juli trat das von vielen Menschenrechtsorganisationen scharf kritisierte Gesetz in Kraft. Im Volksmund wird es „Knebelgesetz“ (Ley Mordaza) genannt. In der Tat schränkt das Gesetz die Demonstrationsfreiheit der Spanier stark ein und liefert die Bürger sogar der Willkür der spanischen Polizei aus.

Mit ruinösen Bußgeldern von bis zu 30.000 Euro will der Staat unangemeldete Demonstrationen vor öffentlichen Gebäuden, wie Regierungsgebäuden oder Krankenhäusern bestrafen. Wer in die Gebäude hineingeht und seine Proteste im Inneren ausübt, muss sogar mit Bußgeldern von bis zu 600.000 Euro rechnen. Im Internet veröffentlichte Fotos von Polizisten oder Sicherheitskräften ohne Genehmigung können ebenfalls mit der gewaltigen Summe von bis zu 500.000 Euro bestraft werden.

Gewaltenteilung adé

Bei diesen eklatant hohen Bußgeldern handelt es sich jedoch ausschließlich um Ordnungswidrigkeiten, die von Behörden verhängt werden. Ein Richter ist bei diesen Anordnungen nicht nötig. Damit werden Polizeibeamte und Verwaltungsbeamte quasi zu Richtern erhoben, da sie mit der Höhe der Bußgelder in der Lage sind einen Menschen zu ruinieren. Der Rechtsweg gegen diese Bußgelder ist von vornherein ausgeschlossen. Die Polizei kann bestimmen in welcher Höhe die Sanktion verhängt wird.

Neben den unangeldeten Versammlungen werden aber noch weit mehr Delikte mit dem „Gesetz zum Schutz der Bürger“ sanktioniert. Hierzu zählen Störungen öffentlicher oder religiöser Versammlungen, spontane Versammlungen, mangelnder Respekt gegenüber der Polizei, dreimaliges Verlieren des Ausweises im Jahr, sowie der Konsum von Alkohol auf der Straße. Bei diesen Tatbeständen werden Bußgelder von jeweils bis zu 600 Euro verhängt.

Demokratie in Gefahr

Bereits der regelmäßige Besuch von kriminellen Internetseiten, sowie der Aufruf zu Protestkundgebungen in sozialen Netzwerken kann mit dem Ley Mordaza hohe Geldbußen oder Haftstrafen von bis zu fünf Jahren nach sich ziehen. Sämtliche Oppositionsparteien, sowie Amnesty International und Greenpeace kritisierten das Knebelgesetz scharf. Kritische spanische Bürger würden damit von vornherein wie Kriminelle oder Terroristen behandelt werden. Das neue Gesetz zerstöre einen wichtigen Grundpfeiler der Demokratie: Die Meinungs- und Demonstrationsfreiheit.

Die New York Times schreibt sogar, dass das Gesetz zum Schutze des Bürgers Spanien in die dunkelsten Tage der Franco-Diktatur zurückwerfe. Durch viele nicht genau definierte Sanktionen und schwammige Formulierungen werden Polizei und Verwaltung die Türen weit zu einer unverhältnismäßigen und misbräuchlichen Anwendung geöffnet.

Schnell geraten Demonstranten sogar in das Blickfeld von Anti-Terrorismus-Ermittlern. UNO-Sonderbeauftragter Kiai sagte, dass dieses Gesetz das Recht auf freie Meinungsäußerung unnötig und unverhältnismäßig einschränke.

Masse soll schweigen

Mit dem neuen Gesetz sind Demonstrationen, wie die der „Indignados“, die monatelang auf der Puerta del Sol in Madrid demonstrierten, gar nicht mehr möglich. Aus dieser Bewegung hat sich später die Podemos-Partei entwickelt. Auch andere regierungskritische Kundgebungen werden es wohl in Zukunft schwer haben. Durch große Demonstrationen wird in der Regel die Presse auf Missstände aufmerksam. Durch die fehlenden Artikel über zum Beispiel Zwangsräumungen, fehlende Hygiene in Krankenhäusern oder andere krasse Missstände vermeidet die Regierung weitestgehend negative Berichterstattung. Vielleicht will die konservative PP sogar genau das erreichen. Denn wo keine Demos sind, gibt es auch keine Journalisten.

„No somos delito“

Bei den rund 87.000 Demonstrationen im vergangenen Jahr blieb es fast immer friedlich. Deshalb fragt die kritische Organisation „no somos delito“ die spanische Regierung, warum die Demonstrationsfreiheit eingeschränkt werden musste. Ministerpräsident Mariano Rajoy antwortete darauf nur, dass er die Aufregung nicht verstehe, da das Gesetz doch die „freie Ausübung der Grundrechte“ stärke. Andere Stimmen behaupten jedoch genau das Gegenteil: Mit dem Knebelgesetz soll jeglicher politischer Protest bereits im Keim erstickt werden.

Gerade die zahlreichen Skandale um Korruption und Geldwäsche lassen viele spanische Politiker kalte Füße kriegen. Die Einschränkung der Meinungsfreiheit ist doch in Diktaturen stets ein Mittel um den Bürger zum Schweigen zu bringen und von eigenen Fehlern abzulenken. Da im Herbst Parlamentswahlen sind scheint die Verabschiedung dieses Gesetzes nun wie ein verzweifelter Versuch negative Presse zu vermeiden. Denn der vielbeschworene Wirtschaftsaufschwung ist bei den meisten Spaniern noch nicht angekommen.

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